Der Sirenengesang des Retro-Gamings ist unüberhörbar. Chiptune-Musik, pixelige Grafik, einfaches, aber anspruchsvolles Gameplay – es versetzt uns zurück in die Vergangenheit. Betreten Sie den boomenden Markt der Retro-Handheld-Konsolen: Geräte, mit denen Sie Tausende klassischer Spiele unterwegs spielen können. Doch beim Stöbern nach eleganten Geräten von Anbernic, Retroid, PowKiddy oder sogar Nintendos eigener Classic Mini-Serie stellt sich eine entscheidende Frage: Sind diese Geräte legal?
Die Antwort ist, wie so oft in Recht und Technologie, nicht einfach Ja oder Nein. Es ist ein komplexes Gebiet, das Hardware, Software und Urheberrecht umfasst. Lassen Sie es uns genauer betrachten:
1. Die Hardware selbst: Im Allgemeinen legal (mit Einschränkungen)
Offizielle Neuauflagen (z. B. Nintendo Game & Watch, Sega Genesis Mini, PlayStation Classic): Diese sind 100 % legal. Unternehmen wie Nintendo, Sega und Sony stellen diese Geräte her, bieten legal lizenzierte Spiele an und verkaufen sie über offizielle Kanäle. Sie kaufen ein legitimes Produkt.
Emulations-Handhelds von Drittanbietern (Anbernic, Retroid, PowKiddy usw.): Die Herstellung und der Verkauf der physischen Geräte ist in der Regel legal. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um kleine Linux- oder Android-Computer im Gamecontroller-Format. Es ist grundsätzlich nicht illegal, ein Gerät zu bauen, das Emulatoren ausführen oder Spieldateien (ROMs) abspielen kann. Sie werden als „Multimediageräte“ oder „Emulatorkonsolen“ verkauft, oft ohne vorinstallierte Spiele.
Achtung: Geräte, die das physische Design und die Markenzeichen offizieller Konsolen direkt kopieren (z. B. eine exakte Nachbildung eines Game Boy mit dem Nintendo-Logo), könnten möglicherweise wegen Markenrechtsverletzungen verklagt werden. Die meisten seriösen Dritthersteller vermeiden dies, indem sie originelle Designs erstellen und auf offizielle Logos verzichten.
2. Das wahre rechtliche Minenfeld: Software (Emulatoren und ROMs)
Hier wird es kompliziert und hier liegen die meisten rechtlichen Risiken:
Emulatoren: Emulatoren sind Softwareprogramme, die die Hardware einer Konsole (wie NES, SNES, Game Boy usw.) auf anderer Hardware (wie Ihrem PC oder einem Handheld-Gerät) nachbilden. Die Erstellung und Verbreitung von Emulatoren ist grundsätzlich legal, insbesondere wenn sie durch „Clean Room“-Reverse-Engineering erstellt werden (wobei Ingenieure die Funktionsweise des Systems herausfinden, ohne proprietären Code direkt zu kopieren). Grundsatzurteile wie Sony Computer Entertainment, Inc. v. Connectix Corp. (2000) und Sony Computer Entertainment America, Inc. v. Bleem (2000) bestätigten die Legalität von Emulatorsoftware aus Gründen der Interoperabilität und des Fair Use.
Mehr erfahren: Electronic Frontier Foundation (EFF) zu Emulatoren
ROMs (Spieldateien): Dies ist das GROSSE rechtliche Problem. Ein ROM ist eine digitale Kopie der Software (des Spiels), die ursprünglich auf einer Kassette oder Disc gespeichert war.
ROMs herunterladen: Das Herunterladen einer ROM für ein Spiel, das Sie nicht physisch besitzen, ist eine Urheberrechtsverletzung und illegal. Punkt. Dies gilt auch, wenn das Spiel Jahrzehnte alt, vergriffen oder auf modernen Plattformen nicht mehr erhältlich ist. Urheberrechte gelten sehr lange (oft über 70 Jahre nach dem Tod des Autors). Websites, die umfangreiche ROM-Bibliotheken zum Download anbieten, sind illegal.
Erstellen eigener ROMs („Dumping“): Das Erstellen einer ROM-Sicherungskopie von einer Spielkassette oder -Disc, die Sie legal besitzen, wird oft als „faire Verwendung“ für persönliche Archivierungszwecke angesehen. Dies ist jedoch eine rechtliche Grauzone und nicht in allen Rechtsräumen explizit geregelt. Der Vorgang erfordert in der Regel spezielle Hardware.
ROMs verteilen: Das Teilen von ROMs, die Sie selbst abgelegt haben, stellt eine Urheberrechtsverletzung dar, selbst mit Freunden.
Vorinstallierte Spiele auf Handhelds von Drittanbietern: Dies ist fast immer illegal. Wenn Sie ein Handheld von Drittanbietern mit Tausenden von Spielen kaufen, wurden diese ROMs höchstwahrscheinlich ohne die Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber (Nintendo, Sega, Capcom usw.) erworben und verbreitet. Der Verkauf von Geräten mit vorinstallierten Raubkopien stellt eine eklatante Urheberrechtsverletzung dar. Der Kauf eines solchen Geräts unterstützt direkt die Piraterie.
Mehr erfahren: US Copyright Office – Grundlagen des Urheberrechts
3. Die ethische Dimension und „Abandonware“
Abandonware-Mythos: Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass alte Spiele, die nicht mehr verkauft oder unterstützt werden, „Abandonware“ seien und daher legal heruntergeladen werden könnten. Das ist falsch. Urheberrechte verfallen nicht, nur weil ein Unternehmen den Verkauf eines Spiels einstellt oder sogar sein Geschäft aufgibt. Die Rechte werden oft übertragen oder ruhen, das Urheberrecht bleibt jedoch in der Regel durchsetzbar.
Erhaltung vs. Piraterie: Viele argumentieren, dass Emulation und ROMs für die Erhaltung von Spielen unerlässlich sind, insbesondere für Titel, die auf veralteten Medien oder nicht mehr funktionierenden Plattformen gespeichert sind. Obwohl die Erhaltung ein berechtigtes kulturelles Anliegen ist, berechtigt sie nicht zur massenhaften Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials ohne Genehmigung. Legitime Erhaltungsbemühungen erfordern oft Museen, Archive und komplexe rechtliche Vereinbarungen.
Was bedeutet das für Sie?
Kauf offizieller Mini-Konsolen (Nintendo, Sega, Sony usw.): Völlig legal und sicher. Sie erhalten ein kuratiertes, lizenziertes Erlebnis.
Kauf von Handheld-Emulationsgeräten von Drittanbietern (leer): Der Kauf der Hardware ist legal. Die Legalität hängt dann vollständig davon ab, wie Sie die Spiele erwerben und verwenden.
Ethische/legale Verwendung von Handhelds von Drittanbietern:
Besitzen Sie die Originale: Spielen Sie nur ROMs von Spielen, von denen Sie physisch eine Originalkopie besitzen und die Sie selbst heruntergeladen haben (unter Berücksichtigung der Grauzone).
Homebrew & Legale Spiele: Nutzen Sie das Gerät für legale Homebrew-Spiele (von Fans für alte Systeme entwickelte Spiele), Public-Domain-Spiele oder offiziell als Freeware oder mit Open-Source-Lizenz veröffentlichte Spiele. Viele Emulatoren unterstützen moderne Indie-Spiele für Retro-Plattformen.
Vermeiden Sie vorinstallierte Piraterie: Kaufen Sie KEINE Geräte, die mit Tausenden vorinstallierten Spielen beworben werden. Dies trägt direkt zur Urheberrechtsverletzung bei.
Herunterladen von ROMs, die Ihnen nicht gehören: Illegal, unabhängig vom Alter oder der Verfügbarkeit des Spiels.
Die Reaktion der Industrie
Unternehmen wie Nintendo sind bekanntermaßen sehr aggressiv beim Schutz ihres geistigen Eigentums. Sie verklagen aktiv ROM-Hosting-Seiten und verklagen Websites und Distributoren, die in großem Umfang ROMs und vorinstallierte Pirateriegeräte vertreiben. Sie vermarkten ihre klassischen Spiele auch über ihre eigenen Plattformen (Virtual Console, Nintendo Switch Online + Expansion Pack).
Beispielfall: Nintendo of America Inc. gegen Mathias Designs LLC d/b/a Uberchips (Ziel sind Modchips und vorinstallierte Pirateriegeräte).
Fazit: Gehen Sie vorsichtig in die pixelige Vergangenheit
Die Hardware der Retro-Handheld-Konsolen selbst ist weitgehend legal. Die rechtlichen (und ethischen) Fallstricke liegen eindeutig in der Software – insbesondere im unbefugten Erwerb und der Verwendung urheberrechtlich geschützter ROMs.
Um stets auf der richtigen Seite des Gesetzes zu bleiben:
Bleiben Sie bei offiziellen Neuveröffentlichungen, um ein problemloses, lizenziertes Erlebnis zu haben.
Wenn Sie ein Handheld-Emulationsgerät eines Drittanbieters verwenden, spielen Sie nur Spiele, die Sie rechtmäßig besitzen und selbst gesichert haben (achten Sie auf die Grauzone), oder konzentrieren Sie sich auf legale Homebrew-, Freeware- und Open-Source-Titel.
Laden Sie niemals ROMs für Spiele herunter, die Sie nicht besitzen.
Vermeiden Sie Geräte, die mit Tausenden von kommerziellen Spielen vorinstalliert sind – das ist Piraterie in praktischer Verpackung.
Retro-Gaming ist eine wunderbare Möglichkeit, Geschichte neu zu erleben und klassische Titel zu erleben. Wenn Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen und fundierte Entscheidungen treffen, können Sie die Nostalgie genießen, ohne sich in die trüben Gewässer der Urheberrechtsverletzung zu begeben. Viel Spaß beim (legalen) Spielen!
Weitere Lektüre und Ressourcen:
Electronic Frontier Foundation (EFF): Verteidigen Sie Ihre digitalen Rechte – Emulatoren: Hervorragender Überblick über die Rechtsgeschichte von Emulatoren.
US Copyright Office: Grundlagen des Urheberrechts (Rundschreiben 1): Offizielle Erklärung der Regierung zu den Grundlagen des Urheberrechts.
MAME-Lizenz (Multiple Arcade Machine Emulator): Ein Beispiel für die rechtliche Haltung eines großen Emulatorprojekts (konzentriert sich auf nichtkommerzielle Nutzung und erfordert Original-ROMs).
Library of Congress: Ausnahme vom Verbot der Umgehung von Urheberrechtsschutzsystemen (1201): Detaillierte Ausnahmen, die die Umgehung von DRM für bestimmte Zwecke wie die Bewahrung/Archivierung ermöglichen (komplexer, aber relevanter Kontext).
Video Game History Foundation: Organisation, die sich der Bewahrung der Videospielgeschichte widmet (hebt die Bedeutung und Herausforderungen der Bewahrung hervor).